Temperaturanstieg - leichter tageszeitlicher Anstieg der Lawinengefahr

Die vergangene Woche war geprägt von markanten Temperaturänderungen, die für Februar nicht ganz ungewöhnlich sind. Auf eine relativ milde Periode folgte ein Kaltlufteinbruch mit tiefwinterlichen Temperaturen am Berg und im Tal. Der Wechsel von warm auf kalt begünstigte die Verfestigung der Schneedecke, vor allem südseitig. Nordseitig bildeten sich dagegen stellenweise Schwachschichten, die in den nächsten Wochen wahrscheinlich relevant bleiben.

Temperaturverlauf an der automatischen Wetterstation Teufelsegg im Schnalstal. Nach einer milden Periode kamen am 11.02.2021 polare Luftmassen. Die Temperaturen sanken unter -20 °C, der Taupunkt sogar unter -40 °C.

Mit einer Warmfront am Montag stiegen die Temperaturen wieder an und am Alpenhauptkamm schneite es einige Zentimeter. Die Wärme, kombiniert mit der erhöhten Gegenstrahlung führte vor allem am Dienstag zu einer Anfeuchtung der Schneedecke. Südseitig gingen mehrere kleine oberflächliche Lockerschneelawinen ab. Auch nahm die Gleitschneeaktivität erneut zu. 
Gleichzeitig setzte stürmischer Nordwestwind ein, der in Kammnähe, auf Graten und hinter Geländekanten störanfällige Triebschneeansammlungen bildete. 

Kleines Schneebrett unterhalb der Sentinella Scharte (2717 m) - Sextner Dolomiten. (Foto: Artur Hackhofer, 16.02.2021)


Windverfrachtungen im hinteren Martelltal bei mäßig bis starkem Nordwestwind. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 17.02.2021)

Besonders sensibel auf die Strahlung und die Temperaturerhöhungen reagiert die Schneeschicht, auf der sich der Saharastaub abgelagert hat. Er verändert die Eigenschaft des Schnees in vielerlei Hinsicht, nicht nur in Bezug auf die optischen Eigenschaften oder die Schmelzrate. 

Kleines Schneebrett nordöstlich der Forcella de Crespeina (2528 m) - Gröden, das auf der Saharastaubschicht ausgelöst wurde. (Foto: Lawinenwarndienst, 16.02.2021)


Unfall am 16.02.2021 - Kleine Latemar Scharte 

Bei diesem Unfall war wahrscheinlich die Kombination von mehreren Faktoren, wie der markante Temperaturanstieg, die diffuse Strahlung durch mittelhohe Wolken, die oberflächennahe Schicht mit Saharastaub und der starke Wind der vorherigen Nacht, ausschlaggebend für die Auslösung der Schneebrettlawine. Ein Skitourengeher wurde dabei von den Schneemassen mitgerissen, zum Glück erlitt er trotz des langen Absturzes durch die felsige Rinne nur leichte Verletzungen. 


Die rote Linie kennzeichnet die Unfalllawine. Vom Grat aus stürzten die Schneemassen zunächst in den recht offenen Hang, kanalisierten sich in einer engen Felsrinne und kamen etwa 700 Höhenmeter tiefer zu liegen. 

Anhand der am folgenden Tag durchgeführten Schneedeckenuntersuchung kann man erkennen, dass das Problem im Wesentlichen mit dem in der Einfahrt der Rinne eingewehten Schnee zusammenhängt. Dieser hatte sich noch nicht mit der kurz zuvor gefallenen, von Wüstensand gekennzeichneten, Schneeschicht verbunden. Weiter unten in der Rinne war die Schneedecke an der Oberfläche aufgrund des fehlenden Windeinflusses pulvrig und spannungsarm. 

In diesen Tagen wurden auch andere, sowohl spontane als auch künstlich ausgelöste Lawinen beobachtet, die sich auf dieser markanten gelblichen Schicht lösten. Dieses Phänomen ist bereits von anderen Wintern bekannt. Es gibt nicht viele Studien zu diesem Thema (z. B. Aineva - neve rossa), aber die Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Schneeschichten mit Saharastaub besonders sensibel auf Sonneneinstrahlung reagieren. Diese Interaktion begünstigt eine schnelle Umwandlung der Schneekristalle und folglich eine Änderung der Stabilität.  


Aktuelle Lage und Vorschau aufs Wochenende

Die Schneedecke ist momentan deutlich vom Wind und von der immer stärker werdenden Sonneneinstrahlung gekennzeichnet. Der Sonnenstand ist nun deutlich höher als in den vergangenen Monaten, dadurch bekommen immer mehr Nordhänge etwas Sonne ab. Südseitig und in mittleren Lagen hat sich bereits eine Schmelzkruste gebildet. Nordseitig findet man nur noch in windgeschützten Lagen pulvrige Passagen, sonst ist die Schneedecke oft abgeblasen und hart. 

Marmorierte Schneeoberfläche: Triebschnee wechselt mit hartem, windgepresstem Schnee. (Foto: Lawinenwarndienst, 16.02.2021) 


Am Wochenende steigen die Temperaturen deutlich an. Die Nullgradgrenze steigt auf 3000 m. Der Himmel ist nahezu ungetrübt, ausgenommen vom morgendlichen Hochnebel. Die Triebschneepakete der vergangenen Tage können sich weiter verfestigen und bleiben hauptsächlich noch schattseitig störanfällig. Hier findet man zudem vereinzelt einige Schwachschichten, die sich im Bereich der Schmelzkruste durch den Wechsel von warm auf kalt gebildet haben. 
Die Erwärmung und die Strahlung wirkt sich auf komplexe Art und Weise auf die Schneedecke und ihre Stabilität aus. Die jeweilige Entwicklung hängt stark davon ab, was während des gesamten Winters passiert ist. Hinzu kommt die oberflächennahe Schneeschicht, die vom Saharastaub gekennzeichnet ist, ihr gebührt besondere Aufmerksamkeit.
Durch den Schmelzwassereintrag nimmt die Festigkeit der Schneedecke besonders an Sonnenhängen und in mittleren Lagen vorübergehend ab, weshalb in den nächsten Tagen mit feuchten und nassen Lawinen zu rechnen ist, vor allem in der zweiten Tageshälfte. 

Eine Gämse nutzt die abgeblasenen Bereiche, um an Nahrung zu kommen. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 17.02.2021)



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